Zuletzt aktualisiert am 25. Oktober 2019
Du bist sehr empathisch und zerbrichst dir immer den Kopf deiner Mitmenschen, hast Angst zu enttäuschen, willst niemandem zur Last fallen? – dann wird es Zeit für mehr Respekt für deine (erwachsenen) Mitmenschen, mute ihnen zu für ihre eigenen Bedürfnisse einzustehen.
Klingt erst mal seltsam, oder? Wenn ich zu viel Empathie für mein Gegenüber empfinde, also mir die ganze Zeit denke, was derjenige vielleicht gerade braucht, (gedachte Erwartungen oder Bedürfnisse meines Gegenübers) dann bin ich respektlos? Ich behaupte JA und ich werde es dir im Laufe dieses Blogbeitrages auch erklären, warum ich dieser Meinung bin. In unserer Kindheit haben wir unbewusst oft gelernt, dass wir zu Last fallen, dass wir nicht gut genug sind, dass wir gerade nicht willkommen sind, dass wir zu wenig leisten, dass wir uns beeilen müssen, weil es sonst Ärger gibt und wir uns ungeliebt oder nicht gut genug gefühlt haben. Aber auch das wir Lob erfahren, wenn wir etwas gut gemacht haben oder wir jemandem einen Gefallen getan haben. Unsere Eltern haben sich gefreut, wenn wir dessen Erwartungen erfüllt haben und wir bekamen Aufmerksamkeit und wurden geliebt (In unserer Kindheit sind wir auf die Liebe Anderer angewiesen). Auf Grund dieser Erfahrungen, die in unserem Gehirn abgespeichert ist, haben wir dann angefangen, hineinzuinterpretieren, also uns auszudenken, was die möglichen Wünsche, Bedürfnisse und Erwartungen unserer Mitmenschen sind, damit wir weiterhin geliebt werden, vielleicht Aufmerksamkeit bekommen oder auch Lob und Anerkennung.
Kleiner Exkurs: Bei einem Helfersyndrom ist das extrem ausgeprägt. Manche Menschen fühlen sich nur gut, wenn Sie anderen Helfen können. Sie definieren sich sozusagen über die Hilfe und erwarten dafür oft unbewusst Lob und Anerkennung. Wenn die Anerkennung ausbleibt, dann versuchen Sie noch mehr zu helfen, bis hin zur kompletten Selbstaufgabe und Erschöpfung. Diese Personen fühlen sich oft extrem verletzt, wenn jemand Diese Hilfe nicht annehmen möchte, weil Sie als Helfender „nicht gebraucht“ werden und sie sich selbst dann daraufhin wertlos fühlen. Sie nehmen es oft sehr persönlich, wenn die Mitmenschen sagen: „Nein danke, ich möchte es lieber selbst probieren“. Menschen mit Helfersyndrom respektieren meist weder sich selbst noch die Anderen und werden auch von Ihren Mitmenschen oft wenig respektiert.
Nun wieder zu unseren gedachten Wünschen und Erwartungen unserer Gegenüber. Dieses ganze Konstrukt ist ein Relikt aus unserer Kindheitserfahrungen. Wenn wir das im Erwachsenenaltern beibehalten und uns davon nicht lösen können, laufen wir ständig der Anerkennung Anderer hinterher.
Wir fühlen uns vielleicht sogar beklemmt und sind auf „Hab Acht-Stellung“ sobald eine andere Person den Raum betritt. Deshalb fühlen sich die extrem emphatischen, oftmals gleichzeitig hochsensiblen Menschen alleine sehr wohl. Da können wir entspannen, weil wir unsere Aufmerksamkeit auf uns selbst richten können und nicht unsere immer ausgefahrenen und sensiblen Antenne überlasten.
Du musst also erkennen, wann du versuchst die Verantwortung für dein erwachsenes Gegenüber zu übernehmen, das du nach Anerkennung und Liebe strebst Mache dir bewusst, dass du gefühlt wieder ein kleines Kind bist. Spüre in dieses Gefühl rein.
Steige dann ganz bewusst aus diesem Kind-Modus aus. Stelle dich jetzt auf einen Stuhl, mache dich groß und sage zu dir selbst ich bin Erwachsen, ich mag mich so wie ich bin, ich erkenne mich selbst an und liebe mich und ich übernehme die Verantwortung für meine Gefühle. Du bist ebenfalls erwachsen und ich respektiere dich. Deshalb mute ich dir zu für deine Gefühle, deine Wünsche und Bedürfnisse selbst die Verantwortung zu tragen.
Oft hilft mir selbst ein ganz konkretes Gespräch mit Personen, bei denen ich weiß, dass es Ihnen schwerfällt sich abzugrenzen, damit ich entspannt sein kann und meine hochsensiblen Antennen gelassener bleiben auch wenn andere Personen im Raum sind.
Dies könnte z.B. so aussehen:
Ich bin nicht dafür da um dich zu beschützen und meine oder deine gedachten Erwartungen, die du eventuell an mich haben könntest zu erraten. Bitte sprich es klar und deutlich aus, wenn du z.B. Hilfe benötigst, du gerade kein Babysitter sein möchtest oder du gerne möchtest, dass ich das Fenster schließe. Denn bei der Aussage, mir ist kalt nehme ich das zukünftig einfach nur zur Kenntnis, ohne aufzuspringen und das Fenster zu schließen. Es ist mir lieber wenn du mir ein klares Nein gibt’s oder mir konkret sagst, was du gerade brauchst. Denn ich höre ab jetzt auf, mir DEINEN Kopf zu zerbrechen. Ich bin erwachsen und ich kann mich um meine Bedürfnisse und Gefühle kümmern, ebenso wie mit einer klaren Aussage umgehen. Du bist erwachsen und ich wünsche mir von dir, dass du klar sagst, was du brauchst und möchtest. Ich mute dir das zu. Ich respektiere dich und ich glaube, dass du die Verantwortung für dich selbst übernehmen kannst. Es ist deine Verantwortung für dich zu sorgen. Es ist meine Verantwortung für mich zu sorgen.
Und dann heißt es wie immer, üben, üben und nochmal üben. Immer wieder. Bis du tatsächlich merkst, dass du dir weniger den Kopf der Anderen zerbrichst. Finde eine gute Balance und viel Spaß dabei.